Super Paradise
Dicke Dödel 2

Männerschwarm 1999, 197 Seiten

Schon in meinen ersten ‚Schwulcomix' Anfang der 80er Jahre kam hin und wieder das Thema Aids auf, aber ich näherte mich dem noch mit unsicheren Schritten. Wie die Zeiten ja unsicher waren:  Zunächst waren es nur Gerüchte, es gäbe in den USA eine unheilbar tödliche Krankheit, die nur schwule Männer träfe. Wir damals in Dortmund glaubten zunächst kein Wort davon, das klang zu sehr nach ultrachristlichem Wunschdenken. Dann wurde ein Bekannter krank und noch einer und man hörte von der Diagnose bei diesem und jenem, und die Berliner ’Siegessäule’ war jeden Monat voll mit Todesanzeigen! Die Bedrohung war real, und ich musste auch in meinem Comics irgendwie damit umgehen. Schwierig, mit Knollennasen, die vor allem spassig sein sollten! Das Bundesgesundheitsamt beauftragte mich, Safer Sex-Comics zur Aufklärung zu zeichnen, es wurden im Laufe der Jahre 8 kleine Heftchen, und es war schwierig für mich, zu Anfang selbst den Zungenkuss als risikoreich zu darzustellen.

Ich zeichnete dann für die Zeitschrift ‚Magnus‘ versuchsweise Konrad & Paul- Kurzgeschichten, die eher traurig waren. Jemand wurde krank, bekam Flecken auf der Haut, jemand starb. Die Reaktionen darauf waren gut, was mich sehr erleichterte. Schliesslich wollte ich nicht den Eindruck erwecken, ich machte mich lustig. Das Thema war bitter, und dann, ich lebte inzwischen in Köln, traf es Dieter, einen meiner allerbesten Freunde. Es folgte ein langes, elendes Leiden, und als er schliesslich in meinem Beisein gestorben war, hatte ich alle Hemmungen verloren, mich mit meinen Mitteln zu dieser Dreckskrankheit zu äussern. Ich dachte an ein ganzes Buch dazu, und ich dachte an Konrad und Paul, und ich dachte daran, es ausgerechnet Paul treffen zu lassen! Eine unwichtige Nebenfigur hätte ich nicht konsequent gefunden, Paul wurde von den Lesern gemocht, und Paul genoss den Sex ohne wenn und aber, er war gefährdet. Ich wollte, dass die Leser betroffen sind. Paul bekam sein positives Testergebnis.

Allerdings traute ich mich noch nicht wirklich. Alternativ lag zeitgleich ein anderes Buchprojekt auf dem Zeichenbrett: Paul im Urlaub auf Mykonos, Sex und Fun und heisse Männer, es sollte leicht und geil werden und lustig, wie schon vorher ‚Bullenklöten‘. Ich wollte wohl damit einiges verdrängen und einfach wieder Spass an hemmungslosen Sexgeschichten haben. Aber es klemmte: Ich kam weder mit dem HIV-Buch noch mit dem Mykonos-Buch recht weiter, bis ich irgendwann verstand: Es muss EIN Buch werden! Sowohl Komödie als auch Drama, so ist das Leben. Das mussten wir in dieser Zeit lernen.

‚Superparadise', so heisst der Strand, an dem auf Mykonos die Schwulen sonnenbaden, und so hiess 1999 das Buch. Die paradiesischen Zeiten, die wir Jungen damals das Glück hatten, für wenige Jahre auszukosten, waren vorbei. ‚Superparadise' war für mich erzählerisch ein enormer Schritt nach vorn. Ich kapierte: Ich kann mir erlauben, trotz dieser Funny-Zeichnungen, nicht nur lustig zu sein, meine Knollennasen konnten sehr reale Probleme haben, und sie konnten krank werden und sogar sterben, die Leser folgen mir. Dass es trotzdem kein deprimierendes Buch geworden ist und den Grad an Traurigkeit und Spass hält, damit man es gern liest, das macht es für mich zu einer meiner wichtigsten Veröffentlichungen. 20 Jahre ist das jetzt her! Wir leben immer noch. Paul auch. Was für ein Glück. 

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