Homosexuelle in den Medien, das hat oft Zootiercharakter

Den Alltag von Homosexuellen skizziert Comic-Autor Ralf König mit spitzer Feder. Homophobie sieht der Bewegte Mann -Autor in Medien und Religion. Wo religiöses Denken vorherrsche, "haben Schwule die Arschkarte", sagt er im heute.de-Interview.


heute.de: Herr König, in Ihren Comics nehmen Sie Situationen aus dem Leben von Schwulen und Lesben auf die Schippe. Taugt Humor auch im Alltag, um mit Homophobie umzugehen?

Ralf König: Ich muss sagen, dass ich gar nicht weiß, wann ich das letzte Mal eine wirklich homophobe Situation erlebt habe. Das liegt natürlich auch an meiner Stellung als öffentlich bekannter, schwuler Mann - und daran, dass ich in Köln lebe.

heute.de: Ist ein Aktionstag gegen Homophobie denn überhaupt notwendig?

König: In den Innenstädten wahrscheinlich nicht. Ich nenne das immer so eine Fußgängerzonen-Toleranz. Aber zum Beispiel in Köln auf der anderen Rheinseite - in Köln-Kalk - da würde ich abends nicht mehr Arm in Arm mit meinem Freund über die Straße gehen. Insgesamt ist es in Deutschland aber relativ entspannt.

Aber ich finde es immer schwierig, über Homophobie zu reden und sich dann nur auf Deutschland zu beschränken. Man muss nur nach Polen gucken, und da sieht das ganz anders aus. Ich denke, wir leben auf Inseln der Toleranz. Aber ich finde es schon beängstigend, was jenseits des Ufers passiert.

heute.de: In Ihren jüngsten Comics nehmen Sie sich Bibelgeschichten vor. Wenden Sie sich vom Schwulen-Thema ab?

König: Nach dreißig Jahren hatte ich das Gefühl: "Ich habe dazu alles gesagt". Mein eigenes Leben dreht sich ja auch nicht nur ums Schwulsein. Wenn der eine oder andere schwule Leser meint: Ach, die Geschichten sind ja gar nicht mehr so schön schwul wie früher, dann stimmt das nicht. Es ist einfach nur eine andere Gewichtung. Ich sehe das Thema Religion, mit dem ich mich in meinen letzten Büchern beschäftigt habe, aber gar nicht als "unschwul". Schließlich ist religiöses Denken der Hauptmotor für Homophobie. Ich stelle fest, dass überall, wo religiöses Denken das Sagen hat, Schwule, Frauen und Ungläubige die Arschkarte haben - also war das für mich auch konsequent.

heute.de: In Deutschland zeigt zumindest die evangelische Kirche aber ein hohes Maß an Toleranz. Immerhin gibt es dort auch schwule Pfarrer. Kann man die verschiedenen Religionen und Konfessionen wirklich so einfach über einen Kamm scheren?

König: Das kann man wahrscheinlich nicht, und das wirft man mir auch vor. Schwule engagieren sich ja sehr in der Kirche - meistens in der evangelischen, aber auch in der katholischen. Die fühlen sich dann immer so ein wenig angepisst, wenn ich so etwas sage. Aber ich habe meine Meinung zum kirchlichen Denken. Ich weiß gar nicht, was man als Schwuler in der Kirche will, und auch grundsätzlich weiß ich gar nicht, wie man das glaubt, was man da glauben soll. Mir macht das eher Angst.

heute.de: Sie haben sich oft darüber beschwert, wie die Lebenswirklichkeit schwuler Männer in den Medien dargestellt wird. Warum?

König: Ich glaube, dass die Gesellschaft da aber schon viel weiter ist als die Medienschaffenden. Die Medien stellen Schwule fast immer als Tunten dar, das finde ich immer schon schwierig. Ich bin schwul und habe einen schwulen Freundeskreis, und ich sehe da niemanden, der so rumtuckt wie eine Figur aus der Serie Bewegte Männer oder aus Bullys Traumschiff Surprise. Ich finde es immer befremdlich, wenn ich das sehe, das hat so einen Zootiercharakter.

heute.de: Ist das ein Ausdruck von Homophobie oder schlicht Unwissenheit?

König: Ich glaube, es ist viel profaner: Es ist lustig. Der feminine Mann war immer auch bizarr und lustig, deswegen sieht man das gerne, weil es Spaß macht. Es gab vor ein paar Jahren mal diese Fernsehwerbung für Tiefkühlfisch. Da wurde erstmals im Werbefernsehen ein schwules Pärchen gezeigt, und das war total tuntig. Dieser Typ kam aus der Küche mit seinem Wägelchen: "Tatütata, der Kabeljau ist da" - also richtig platt.

Ich habe mich darüber so geärgert, dass ich bei Iglo nachgefragt habe, was das denn soll. Und da bekam ich zur Antwort - und das meinten die wahrscheinlich ganz treu-doof ernst: "Ja, wenn die nicht ein bisschen rumtucken, dann versteht doch keiner, dass die schwul sind." Das finde ich schon traurig. Das kann man sicherlich auch ganz leicht anders darstellen, dass die schwul sind.

 

Ralf König am 17. Mai 2011 zum Tag gegen Homophobie auf heute.de. Das Interview führte Philipp von Bremen