Zickige Tunten mit viel zu großen Nasen

Schwules Leben, Klischees und Großstadtneurosen sind die Themen des deutschen Comiczeichners Ralf König. Rosa von Praunheims Dokumentation „König des Comics“ ist eine Hommage an den Künstler, der mit „Der Bewegte Mann“ berühmt wurde. Am Freitag feiert der Film Premiere in der Berlinale-Sektion Panorama. Von Elmar Kraushaar

 

„König des Comics“ - das ist die Geschichte von einem, der es geschafft hat: den Sprung von der Sub- in die Hochkultur, von den kleinen Schwulenblättern in die große FAZ, von der Kritik an der Blödheit der Homos bis hin zum beißenden Spott über die Religionen der Welt.

Ralf Königs Comics wurden inzwischen übersetzt in 15 Sprachen, die Liste seiner Auszeichnungen ist fast so lang wie die seiner Veröffentlichungen, und Millionen Zuschauer sahen seinen Geschichten zu auf der Kinoleinwand. Und auf die Frage, ob man von den Comics schwul werden könne, antwortet in Praunheims Porträt ein heterosexueller König-Fan arglos mit Ja.

Das hat Ralf König alles erreicht mit lauter kleinen Männchen mit viel zu großen Nasen, mit Schwanzlecken und Analverkehr, mit zickigen Tunten und fistenden Kerlen, ohne Pardon und ohne falsche Scham. Wie ist sowas nur möglich in diesem Land, in dieser Gesellschaft? Das sind nicht die Fragen, die Rosa von Praunheim interessieren.

Auf dem Teppich geblieben

Dafür lässt er den Zeichner erzählen, seine Geschichte von dem Jungen aus der westfälischen Provinz, der von der Schreinerbank flieht an die Kunstakademie, um seine Phantasie auf Papier zu bringen und unter die Leute. Der schwul wird dabei und alles ausprobiert, was so ein neues Leben bereithält zu seiner Zeit. Der schließlich zum Idol wird unter seinesgleichen, vielen von ihnen zu einem besseren Coming-Out verhilft und ihnen beibringt, wie heilsam es ist, über sich selbst am lautesten zu lachen.

Ralf König ist - auch das zeigt der Film - auf dem berühmten Teppich geblieben dabei, ein angenehmer Zeitgenosse, der klug ist, ohne zu bevormunden, ein Profi, der ausschließlich glänzt und sprüht in seinen Arbeiten, einer, der kokett sein kann und geil, grundehrlich und cool, und sich dann doch immer wieder rettet in seine Melancholie.

Es war an der Zeit, diesem Mann ein Porträt zu widmen, und es fügt sich nur konsequent, dass diesen Film mit Rosa von Praunheim einer gemacht hat, dessen erstes Buch über sich selbst dem jungen Ralf König den Weg gewiesen hat in sein neues, noch unbekanntes schwules Leben. So könnte man vom Ziehvater sprechen, der seinem Ziehsohn jetzt die große Leinwand bietet, damit der zeigen kann, dass aus ihm was geworden ist: ein stolzer, schwuler Mann ganz im emanzipatorischen Sinne seines alten Herrn.

 

 

Erschienen am 8. Februar 2012 in der Berliner Zeitung